Wo Worte wohnen
Exklusiv-Interview in der Zeitschrift SERVUS - einfach gut leben
Petra Barta mag Bücher. Und sie gibt ihnen und ihren Autorinnen und Autoren im Hotel DIE WASNERIN eine Heimat. Wenn sie darüber spricht, gestikuliert sie lebhaft, lächelt über Erinnerungen, die sie für sich behält, weil es oft sehr persönliche Erlebnisse waren, und freut sich auf die nächsten Begegnungen.
Text: Wolfgang Wieser
Frau Barta, wo lesen sie in Ihrem Haus am liebsten – und warum gerade dort?
Im Sommer draußen, an meinem versteckten Platz beim Biotop. Im Winter kuschle ich mich unter dem Dach des alten Hauses ins Bett – da zieht es zwar etwas, aber es ist sehr gemütlich.
Was unterscheidet Ihr Literatur-Hotel von einem klassischen Hotel?
Die Atmosphäre. Bei uns finden die Gäste überall Leseecken, gutes Licht, literarische Impulse. Statt Pralinen liegen abends Leseproben auf den Betten. Die Autorinnen und Autoren sind nahbar, sprechen beim Frühstück mit den Gästen, lesen im Bademantel im Saunabereich. Unser Haus ist ein Ort, an dem sie ernst genommen werden. Diese Authentizität spürt man.
Wie kamen Sie auf die Idee, Hotellerie und Literatur zu verbinden?
Ich kam hierher, um dem Haus eine neue Identität zu geben. Bei meinen Recherchen stieß ich auf die literarische Geschichte des Ausseerlandes. Viele bekannte Schriftsteller waren hier. Ich dachte: Warum nicht Literatur als Teil der Auszeit für Körper, Geist und Seele anbieten? Wir inszenieren Lesungen an besonderen Orten: im Schnee, am Berg, im Bergwerk. Franzobel hat „Hundert Wörter für Schnee“ geschrieben – das haben wir am Gletscher auf dem Dachstein gelesen. Reinhard Kleindl trug bei einem Schneesturm im Freien aus „Blutschnee“ vor – das war ein Wahnsinn, ein wunderbarer Wahnsinn.

Entdecken Gäste bei Ihnen das Lesen wieder?
Ja, oft. Viele nehmen Bücher aus unserer Bibliothek zum Fertiglesen mit nach Hause, bringen sie aber natürlich wieder (lacht) oder sie lassen sich von unseren Leseproben inspirieren. Wir bieten viele kleine Zugänge zur Literatur an.
Wie wichtig sind Bücher für die Gestaltung?
Sehr wichtig. Mit unserer Buchhändlerin aktualisieren wir ständig unser Sortiment. Es gibt literarisch gestaltete Themenzimmer, zum Beispiel die Hier & Jetzt-Suite oder die Seinerzeit-Suite. Wir haben einen kleinen Büchershop und Lesebereiche überall im Haus. Meine private Sammlung mit signierten Ausgaben aller Autorinnen und Autoren, die hier gelesen haben, umfasst mittlerweile über 160 Stück.
Wie passt das alles zur Natur rundherum?
Perfekt. Die Natur hier ist kraftvoll, inspirierend. Schon die Schriftsteller Stifter, Schnitzler oder Hofmannsthal haben das gespürt. Die haben gewusst, warum sie herkommen. Diese Landschaft erdet und öffnet den Blick. Der Satz ist nicht von mir, aber trifft es sehr gut: „Manche träumen vom Ausseerland, andere träumen im Ausseerland.“

Und wie gehen Sie persönlich mit Büchern um? Eselsohren erlaubt?
Nein, keinesfalls. Ich bin Perfektionistin. Bücher müssen sauber, schön und sortiert sein. Anders als bei manchen Autoren, deren Leseexemplare schon völlig zerfleddert sind.
Erinnern Sie sich an das erste Buch, das Sie ganz für sich selbst entdeckt haben?
Ich weiß nur, dass ich alle Christine Nöstlinger Bücher verschlungen habe. Ich habe sie geliebt.
Gab es in Ihrer Kindheit jemanden, der Ihnen das Lesen nähergebracht hat?
Ja, mein Vater. Er hat mich jedes Jahr vor Weihnachten auf die Buchmesse in Wien mitgenommen. Dort durfte ich mir immer ein Buch aussuchen, das ich dann geschenkt bekam.
Was hat das Lesen damals in Ihnen ausgelöst – und was bedeutet es Ihnen heute?
Schon damals war es für mich ein Eintauchen in andere Welten und Menschen. Gerade bei Nöstlinger waren es oft Kinder und Jugendliche und deren Erfahrungen und Abenteuer, die mich bewegt haben. Heute ist Lesen für mich vor allem eine Form der Wissensaneignung. Ich liebe Biografien, Sachbücher – Dinge die meine Welt in Schwung bringen. Und mich unterhalten.

Was liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch?
Ein Krimi von Claudia Rossbacher „Steirerblut“.
Lesen Sie eher zur Entspannung oder zur Inspiration?
Gerne zum Abschalten, vor allem abends. Aber natürlich auch, um mich inspirieren zu lassen, neue Perspektiven einzunehmen, andere Denkweisen kennenzulernen.
Gab es in den vergangenen Jahren ein literarisches Erlebnis, das Sie besonders bewegt hat?
Ja, eine Lesung von Nino Haratischwili in Altaussee im Salzbergwerk. Sie hat aus einem ihrer Romane vorgelesen. Ihre Stimme, ihre Erzählweise – das war beeindruckend.
Erleben Sie besondere Momente mit Autorinnen und Autoren bei Ihnen im Haus?
Viele. Ein Autor hat sich als großartiger Musiker entpuppt und spontan am Klavier gespielt. Eine andere Begegnung war sehr persönlich: Ein Autor erzählte mir unter Tränen von seiner Schreibblockade und seinen Existenzängsten. Wir konnten ihm hier einen Rückzugsort bieten, der ihm geholfen hat, wieder ins Schreiben zu finden.

Gibt es eine literarische Persönlichkeit, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, Barbara Frischmuth (1941-2025; Anm.). Als ich vor dreizehn Jahren hierherkam, habe ich ihr erzählt, was ich vorhabe. Sie war eine edle, feine, sanftmütige Frau, die ganz bescheiden in ihrem kleinen Haus in Altaussee lebte. Und sie hat gesagt: „Jemand, der das Ausseerland, diese Wiege der Kreativen und Schreibsinnigen, ins Zeitgenössische weiterentwickeln möchte – den unterstütze ich sofort.“
Wie wählen Sie die Bücher für Lesungen aus?
In Zusammenarbeit mit unserer langjährigen Literaturagentur. Wir haben jedes Jahr ein Schwerpunkthema – demnächst Historienromane. Wir achten auf Neuerscheinungen, aber auch auf unbekannte Talente. Schreibstipendien sind uns ebenfalls wichtig.

Was erwartet Ihre Besucher bei der Servus-Literatur-Akademie?
Ein Eintauchen in eine andere Welt. Und sie werden erleben, dass das Ausseerland seine literarischen Traditionen ins Hier und Jetzt holt. Vor allem geht es darum, miteinander zu sprechen. So wie früher, wenn man in der Stube saß.
Müssten Sie das Ausseerland mit einem einzigen Satz beschreiben: Wie würde er lauten?
In meiner Freizeit gehe ich gerne auf den Berg. Ich brauche diese besondere Energie – dann kommen wieder die Ideen. Also, mein erster Satz: „Nebel lagen über dem Tal, und die Berge wachten still.“

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